Offener Brief der „Initiative Freies Wort“ an die neu gebildete Salzburger Landesregierung

Mahnmal NS Bücherverbrennung Residenzplatz vor dem Sbg. Heimatwerk | Foto: 2023 © Karl Traintinger

Mahnmal NS Bücherverbrennung Residenzplatz vor dem Sbg. Heimatwerk | Fotos: © Karl Traintinger

Die Initiative Freies Wort erinnert alljährlich an die Folgen einer politischen Diktatur, die mit der Bücherverbrennung vom 30. April 1938 am Salzburger Residenzplatz nicht genehme, zumeist katholische und jüdische Stimmen zum Verstummen bringen wollte. Davon sind wir derzeit zwar noch entfernt, aber Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte sind nichts Selbstverständliches, sondern müssen immer wieder verteidigt werden.

Wir und viele andere sind zutiefst besorgt und müssen zur Kenntnis nehmen, dass mit der FPÖ nun eine Partei für die Entscheidungen der kommenden Jahre Regierungsverantwortung übernimmt, aus deren Reihen schon seit geraumer Zeit überaus beängstigende und verstörende Aussagen vernommen werden können, die die Grundlagen unserer demokratischen Ordnung und Haltung in Frage stellen und zu unterminieren versuchen. Angesichts des von LH Dr. Haslauer konstatierten Problems „mit der von der FPÖ-Bundespartei ausgehenden Tonalität der Niedertracht und des Hasses, welche nicht dem Salzburger Klima des Respekts und der Wertschätzung entspricht“ (Haslauer, Brief vom 26.4.2023), ist nicht mehr auszuschließen, dass die hohe Reputation des Landes Salzburg, insbesondere als weltoffenes, vielfältiges und faszinierendes Festspiel- und Kulturland durch eine solche Koalition international Schaden nimmt. Wie kann es sein, dass eine derartige Partei gerade in Salzburg hoffähig gemacht wird, die etwa mit einer Orbánisierung der Republik liebäugelt, also klar von der Einschränkung der Pressefreiheit spricht, keine Berührungsängste mit Antisemitismus (z. B. Vertreibung der Central European University) hat, mit der aktuell russischen Kriegspolitik kokettiert und durchlässig für rechtsextremistische Haltungen ist.

Es ist zu befürchten, dass diese Regierungspartei die populistisch-gemeinen Mittel sog. „symbolischer Politik“ anwenden, also gegen Gruppen und Minderheiten vorgehen wird, die sich nur wenig wehren können und in ihrem Alltag ohnedies mit Ausgrenzung zu kämpfen haben.

Unser Land hat eine derartige Koalition nicht verdient – wie lässt sich ein weltoffenes, gebildetes und humanistisch orientiertes Salzburg mit solchen abschreckenden Positionen dieser neuen Regierungspartei verbinden? Die differenzierte Sprache des Respekts und die angstfreie Verwendung der Sprache sind wertvolle Güter in demokratischen Kulturen. Kunst und Kultur haben immer wieder dafür gekämpft – leider sind sie immer wieder gescheitert. Jene, die das freie Wort vertraten, wurden verfolgt, mussten fliehen. Es gibt Werte und Grundhaltungen, die für liberale Demokratien elementar sind. Besinnen sie sich darauf! Unterschätzen sie nicht, wie viele Menschen in diesem Land und in unserer Republik nun besorgt sind. Als Regierungsmitglieder tragen Sie Verantwortung dafür, dass Sorge nicht in Angst umschlägt. Die Sprache, die sie verwenden, die Maßnahmen, die sie treffen werden, sind entscheidend, was aus dem beschworenen „Salzburger Klima“ werden wird.

INITIATIVE FREIES WORT
 

Die Initiative Freies Wort engagiert sich seit Jahren für die Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung 1938 und stellt in Veranstaltungen, Aktivitäten und Projekten gemeinsam mit Kooperationspartnern in Stadt und Land Salzburg Bezüge zur Gegenwart her, in dem man Themen wie Haltung, Zivilcourage, Wahrheit, Widerstand etc. öffentlich kritisch diskutiert. Hauptverantwortlich sind Tomas Friedman, Albert Lichtblau und Karl Müller.

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