Sind normal denkende Menschen abnormal

Markus Lüpertz, Mozart – Eine Hommage

Markus Lüpertz, Mozart – Eine Hommage

Kürzlich wurde in Österreich eine Debatte ausgelöst, die meiner Meinung schon lange die politische Bühne verlassen hat.

Von Anna Lemberger

Ich greife davon einen Nachsatz auf, der mich jenseits aller politischen Zugehörigkeiten sehr nachdenklich gemacht hat: Das politische Gegenteil von normal ist radikal und nicht abnormal.

Um zu verstehen, was eigentlich gemeint ist, habe ich mir zuerst die alltäglich verwendeten Begriffe angesehen und sie an der Wurzel gepackt.

Norm(al) zu sein bedeutet demnach „den allgemein anerkannten und als verbindlich geltenden Regeln und Erwartungen für das Zusammenleben in einer Gesellschaft“ zu entsprechen.

Natürlich kann hier eingewendet werden, was als Regel und Erwartung in einer Gesellschaft festgelegt ist, muss nicht immer ethisch und moralisch richtig ist.

Bin ich aber abnormal, wenn ich aus der Norm ausschere? Was aber abnormal ist, muß im jeweiligen Kontext gesehen werden. Im gesundheitlichen Bereich wird ein abnormaler Befund meist einer Krankheit zugeordnet, im Straßenverkehr kann das eine Fahrt gegen die Einbahn sein. Abnormalität kann auch ein einzigartiger Mensch mit besonderen Eigenschaften sein, die nicht der Norm entsprechen. Sind Menschen, die nicht konform im Massenstrom laufen, abnormal? Hätte es im Nationalsozialismus (Faschismus) mehr „abnormale“ Menschen gegeben, wäre Hitler dann auch so erfolgreich geworden?

Bleibt noch der Begriff des Radikalismus zu betrachten. Radikal hat die Begriffswurzel im Lateinischen „radix“ und bedeutet „an der Wurzel packen und umfassend lösen“. Im Alltag wird aber ein extremes und übersteigertes Verhalten als radikal bezeichnet.

Warum aber ist es mir so wichtig, mich mit diesen Begrifflichkeiten herumzuschlagen?

Wir müssen uns viel mehr bewusst werden, dass es gerade Sprache, Worte und Begrifflichkeiten sind, die am Anfang von Massenbewegungen, von Diskriminierungen, Fehlentwicklungen und Vorurteilen stehen und diese leider oft  in eine sehr fatale Richtung leiten.

Dazu fallen mir zwei sehr konträre Schicksale ein, die beide gleich endeten: 

Zum einen jährt sich am 29. Juli zum ersten Mal der Todestag der niedergelassenen Ärztin Dr. Lisa Kellermayr. Sie war eine Befürworterin einer Impfung gegen die Coronapandemie, die die Welt 3 Jahre lang in Atem hielt. Mit ihrer Haltung „pro Impfung“ kam sie in den Fokus einer radikalen Randgruppe, die sie letztlich durch Drohungen zuerst in den Ruin, danach in den Freitod trieb.

Dem entgegen steht fast unbemerkt von der Öffentlichkeit der Freitod des Ökobiologen, Buchautors und Impfskeptikers Clemens G. Arvay. Als Ökobiologe erforschte er die gesundheitlichen Zusammenhänge zwischen Menschen und ihrer Umwelt. Er sah deshalb die mRNA Impfung gegen Corona eher kritisch. In seinen Büchern argumentierte er durchaus sachlich und informativ dagegen an. Damit kam er aber in den Fokus einer fanatischen Gruppierung von Impfbefürwortern und wurde ebenfalls mit Kritik und Hass konfrontiert. Am 18.02.2023 wählte er den Freitod.

Beiden Personen wurden anfangs Hass verbreitende Worte und verbale Drohgebährden entgegen gebracht, die in weiterer Folge in einer Katastrophe endeten.

Hier sei an die Wort gewaltigen Damen und Herren in der Politik eine Mahnung gerichtet, die ihren (politischen) Kampf gerne in der Öffentlichkeit austragen und deren gesagte Worte sich verselbstständigen und in falsche Richtungen abdriften.

Und provokant nachdenklich machend möchte ich meine Überlegungen schließen: Die große, normal-denkende Mitte schweigt zu provokanten politischen Äußerungen, während bestimmte rechts und links stehende Gruppen diese dankbar aufnehmen und sie radikalisiert weiterspinnen. 

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