David Fuchs: Bevor wir verschwinden

David Fuchs | Haymon Foto: © www.fotowerk-aichner.at

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David Fuchs: Bevor wir verschwinden

Autor: David Fuchs
Titel:
Bevor wir verschwinden – Roman
ISBN: 978-3-7099-3856-0
Verlag: Haymon Verlag
Erschienen: 2018

Klappentext:

Eine zärtliche Liebe unter ungewöhnlichen Umständen. Als angehender Arzt absolviert Benjamin ein Praktikum auf der Krebsstation. Dass er dort ausgerechnet auf seine Jugendliebe Ambros trifft, hätte er sich nicht träumen lassen. Ambros wird als Patient behandelt, sein Körper ist voller Metastasen. Inmitten des Krankenhausalltags nähern sich die Beiden behutsam wieder aneinander an. Zwischen resoluten Krankenschwestern und röchelnden Zimmernachbarn, jovialen Oberärzten und unbelehrbaren Notfallskandidaten ist ihnen bewusst, dass es die Augenblicke sind, die ihnen bleiben….

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Kurz vor dem Abschluss seines Medizinstudiums muss Benjamin noch ein vierwöchiges Praktikum auf einer onkologischen Abteilung absolvieren. Gleich zu Beginn seines Dienstes wird ihm ein Patient zur Blutabnahme zugeteilt. Als er den Namen des Patienten liest, stockt er, weil er weiß, auf wen er gleich treffen wird: Ambros Wegener – der will sich nur von einem Arzt Blut abnehmen lassen, deshalb hat die zuständige Krankenschwester diese Aufgabe an Ben delegiert. Er darf die Blutabnahme durchführen, obwohl er noch kein „fertiger Arzt“ ist, wohl aber der Ex-Freund von Ambros.

Die Beiden verband einst eine innige Liebe. Aber nach der Trennung verloren sie sich aus den Augen. Jetzt liegt Ambros vor Ben im Bett, abgemagert, voller Metastasen und nur mehr mit minimaler Lebenserwartung.

Ein Roman mit Gänsehauteffekt, bei dem aber auch der Humor nicht zu kurz kommt! Der Autor, der selber Palliativmediziner ist, schreibt einfühlsam aber direkt, über Menschen am Ende ihres Lebens.

Es geht aber auch um eine Liebesgeschichte in einer Ausnahmesituation: Nachdem sich die Wege von Ambros und Ben wieder gekreuzt haben, verbringen sie viel Zeit miteinander und sprechen auch über die Zeit, in der sie getrennt waren und jeder seinen  eigenen Weg gegangen ist. Jetzt lassen sie einander an ihrem neuen Leben teilhaben. So erfährt Ambros, dass Ben im Keller des Krankenhauses ein Tierversuchslabor mit Schweinen betreut, er nimmt ihn dorthin mit und zeigt ihm die, in Narkose liegenden, Schweine, die dort „intensivmedizinisch“ am Leben erhalten werden.

Ben darf die kleine Wohnung und das Auto von Ambros nutzen. Dafür erfüllt er seinem Freund einen letzten Wunsch und bringt ihn noch einmal nach Hause in seine Wohnung.

Ambros hat Ben in sein „letztes Projekt“ eingeweiht, er fotografiert sterbende Menschen kurz vor ihrem Tod als letztes Zeugnis „bevor sie verschwinden“. Ben weiß von der schlechten Prognose seines Freundes und möchte auch von ihm ein Foto machen, weil auch er bald „verschwinden wird“, was dieser aber ablehnt. Er negiert offensichtlich seinen nahen Tod.

Als Ambros kurz darauf stirbt, erstarrt Ben in tiefer Trauer – kann sich jedoch dann zu einem rührend Abschiedsritual durchringen.

Der Autor springt in seiner Erzählung zwischen früher und jetzt hin und her und erzählt im Rückblick die Liebesgeschichte der beiden, deren Erinnerung bei Ben wieder alte Gefühle  aktiviert.

Fuchs hat sehr authentisch die alltäglichen Abläufe im Stationsalltag beschrieben: Während die Tätigkeiten von Ärzten und Pflegepersonen klar definiert sind, steht ein Medizinstudent zwischen den Fronten und bekommt durchaus auch „Schwesterntätigkeiten aufs Auge gedrückt“.

Wer auf einer Palliativstation arbeitet, enttabuisiert den Tod, denn er gehört zum Alltag. Aufgrund dieser Erfahrung ist es dem Autor sehr gut gelungen, das Thema Tod gefühlvoll und nachvollziehbar zu thematisieren, ohne zu dramatisieren oder zu ängstigen. Ganz besonders aber ist der Autor aber auf ein Sterben in Würde eingegangen, indem er in seiner Romanerzählung, Sterben am Ende einer schweren Krankheit – ohne intensivmedizinische Behandlung – zulässt. 

Ein Buch, das zum Nachdenken über den eigenen Tod anregt, ohne Angst zu machen von einem Autor, der weiß, worüber er schreibt. Fuchs bleibt aber dabei bei einer für medizinische Laien verständlichen Sprache. Und trotz des anspruchsvollen Themas ist es ein Roman, der den Leser in den Bann zieht, weil der Autor die richtigen Worte gefunden hat.


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