…. Flugshow mit Luftakrobaten, von selbst spielende Musikroboter, Bombenanschläge mit pyrotechnischen Spezialeffekten, dazu jede Menge Leckerbissen aus W.A. Mozarts Kompositionswerkstätte … THAMOS, das neue Großprojekt der Mozartwoche 2019 hat jede Menge Potential zu einem Musiktheaterspektakel der besonderen Art.

Von Siegfried Steinkogler
Um es gleich vorweg zu nehmen: THAMOS ist keine Neuinszenierung einer Mozartoper, auch kein Theaterstück mit Schauspielmusik, sondern vielmehr eine weiter gedachte Entwicklung des im Geiste der Aufklärung entstandenen Stoffes von Tobias Philipp Freiherr von Gebler, den Wolfgang Amadeus Mozart 1773 und 1779 mit Bühnenmusik versehen hat. In der Inszenierung von Carlus Padrissa und seinem Team La Fura dels Baus wird die Handlung in die nahe Zukunft verlegt, in eine Zukunft, die schon längst begonnen hat. Dabei werden „neue Formen der Sklaverei“ (wie etwa der Umgang mit neuen Technologien) thematisiert.

Es wird „neue Energie für unsere Autokonfiguration“ frei, die aus der „MMM-Maschine“ des Thamos gewonnen wird und auf die Bewohner von Heliopolis, der Sonnenstadt, übertragen wird. Dies führt in weiterer Folge zu einer neuen Bewusstseinsform, dem „Androgynen Kollektiv“, in dem die Menschheit unter Verschmelzung beiderlei Geschlechter nur mehr „wahre Kunst ein- und ausatmet“.
Collage als formbestimmende Technik
Rund um Mozarts Bühnenmusik und Geblers Libretto ranken sich collagen-artig weitere Mozart-Kompositionen sowie die zukunftsweisende, zeitlos schöne Lyrik von Alicia Aza. In Ermangelung einer Ouvertüre wird die Symphonie in Es-Dur, KV 184 gegeben.

Stimmungsbedingt passend wie auch themennahe waren die Ausschnitte aus der Zauberflöte, KV 620. etwa die Arie der Pamina Ach, ich fühl’s (bei der die Sopranistin Fatma Said ihre Sternstunde feiern durfte), die beiden Sarastro-Arien In diesen Heilgen Hallen und O Isis und Osiris (hier konnte René Pape als König Menes überzeugen, routiniert genug, um den großen Raum der Felsenreitschule sonor zu füllen), wie auch den Chor der Priester. Ein glänzender Salzburger Bachchor (Einstudierung Alois Glaßner) trug durch viele Szenen hindurch immens zu dem günstigen Gesamteindruck des Abends bei.

Auch die übrigen Gesangspartien fügten sich trefflich ins Gesamtbild ein. So war Nutthaporn Thammathi ein überaus präsenter Tenor, in jeder Situation „Herr der Lage“. Auch Bastian Thomas Kohl und Silke Redhammer nutzten die Gunst der Stunde und wussten sich besonders in den Ensemble-Szenen bestens einzubringen.
Die Camerata Salzburg gab zu dem allen einen würdigen orchestralen Rahmen ab, geleitet von der sehr sicher und umsichtig wirkenden Alondra de la Parra.
Algorithmische Musik als Kontrast
Die algorithmische Musik von Urbez Capablo wird auf Soundclusters und Pollywogs ausgeführt. Die von Roland Olbeter entworfenen Roboterinstrumente spielen nicht eingespeicherte Musik per Zufallsgenerator ab, sondern reagieren mit Hilfe künstlicher Intelligenz auf die physischen Eigenheiten der jeweiligen Gesangstimme, ja sogar auf Reaktionen aus dem Publikum. Es entsteht eine wohlklingende, neuartige Musik, die einen Kontrast zu den Mozartstücken bildet, ähnlich schlüssig wie die Gegenüberstellung von den historischen Szenen aus dem ursprünglichen Stoff und den neu hinzugekommenen futuristischen Abschnitten.
Allpräsente Symbolik im Bühnenbild
Bühnenbild und Ausstattung dürfen ohne Übertreibung als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden. Die imposanten Kostüme (Chu Uroz) gingen mit dem symbolträchtigen Erscheinungsbild der Bühne eine wohl durchdachte Synthese ein. Im Zentrum platziert steht eine von Laserstrahlen konturierte Pyramide, Symbol für die Ewigkeit. In deren Mitte prangt wechselweise ein allzeit sehendes Auge und – als religiöses Symbol für das Leben – eine ihre Strahlen weit aussendende Sonne.
Durch divergierende Videoprojektionen (Franc Aleu) wird dieses Basisbild immer wieder neu belebt und vielschichtig variiert.

Trotz der überaus dramatischen Handlung gab es auch Szenen von heraus ragender Schönheit. So hinterließ der sms-Dialog zwischen Sais und dem Regenten Thamos einen nachhaltigen Eindruck (obschon diese Idee mittlerweile reichlich klischee-beladenen erscheint). Als Kommunikationskanal und Funknetz diente ein hoch gehaltenes, vielmaschiges Netz, auf dem die sms-Botschaften in beide Richtungen per Videoprojektion hin- und hergesandt wurden. Dabei lauschte das Publikum den berückenden Klängen von Mozarts Zwischenmusik Nr. 3, dessen Flötensolo zu den musikalischen Höhepunkten der Produktion zählte.
Gesonderte Erwähnung verdient auch die Schlussszene, in der sich die Akrobatinnen und Akrobaten der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus fliegend und rotierend aus schwindelerregender Höhe in einer eigens dafür erstellten Luftchoreografie von Gaby Barberio bis zum Boden abseilten. Oder um es mit Alicia Aza’s poetischen Worten auszudrücken: „Wir werden zusammen voranschreiten um eine neue Sternenkonstellation zu erschaffen.“

Die lange anhaltenden Beifallsbekundungen waren verdient, der Auftakt der Mozartwoche 2019 unter Rolando Villazon’s Intendanz gelungen, und man darf sich auf weitere hochkarätige Veranstaltungen dieser Reihe freuen.
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