Das Theater ecce und sein künstlerischer Leiter Reinhold Tritscher eröffnen die Reihe „Palast der Wunder“ mit Bernard Pomerances Drama über John Merrick (1862-1890). Der junge Mann wurde auf Grund seiner körperlichen Missbildungen als „Elefantenmensch“ auf Jahrmärkten zur Schau gestellt. In einem Zirkuszelt im Volksgarten zwingt eine muntere Freakshow das Publikum zum Nachdenken.

Von Elisabeth Pichler
Mit dem Song „Come on and see the show, my friends“ lockt der stets betrunkene Schausteller Ross (Ripoff Raskolnikov) das Publikum in sein Kuriositäten-Kabinett. Hier gibt es allerhand zu bestaunen: eine „Bearded Lady“ (Salim Chreiki in einem traumhaften, weißen Brautkleid), artistisch-athletische siamesische Zwillinge (Anna Adensamer und Pamina Milewska) und als absolute Sensation einen Mann, der auf Grund seiner schrecklichen Deformationen als „Elefantenmensch“ bezeichnet wird. Auch der Londoner Chirurg Frederick Treves (Alexander Lughofer) kann sich der Faszination dieses von Tumoren übersäten Mannes mit dem grotesk vergrößerten Schädel, der ihn zwingt, im Sitzen zu schlafen, nicht entziehen. Obwohl er erkennt, dass die Missbildungen unheilbar sind, bringt er den jungen Mann in einem Hospital unter. Dessen Direktor (Gerard Es) ist zwar anfangs gar nicht begeistert, doch als von der feinen Londoner Gesellschaft Spendengelder zu fließen beginnen, darf John Merrick als „Patient“ bleiben. In seinem neuen „Zuhause“ beginnt der junge Mann, sein geistiges Potential zu entfalten. Er liest Bücher, entwickelt handwerkliche Fähigkeiten und freundet sich schließlich mit der berühmten Schauspielerin Mrs. Kendall (Kristin Henkel) an. Mit ihr philosophiert er über Gott, die Welt und sein Schicksal. Auch die Regeln seines Arztes beginnt er schließlich, in Frage zu stellen. Ob sein größter Wunsch, einmal ganz normal im Liegen zu schlafen, jemals in Erfüllung gehen wird?
Reinhold Gerl überzeugt in der Titelrolle ganz ohne Elefantenmaske. Durch reduzierte Gestik, schweren, mühsamen Gang und langsame Sprechweise suggeriert er die ungeheure Entstellung, die er mit der nötigen Gelassenheit erträgt. Auch in diese Produktion werden Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen eingebunden und sie genießen ihre Auftritte als Passanten, Reinigungsfrauen, Verkäufer von Schrumpfköpfen oder exzentrische Rollstuhlfahrer. Auf der schlichten, weiß bespannten Bühne (Alois Ellmauer) kommen die phantasievollen Kostüme (Viktoria Semperboni) bestens zur Geltung.
Mit skurriler viktorianischer Jahrmarktstimmung, untermalt von melancholischer Folk-Musik, gelingt es Regisseur Reinhold Tritscher, die todtraurige Geschichte des missgestalteten John Merrik aufzulockern. So mancher Besucher wird sich wohl die Frage stellen, wie viel Voyeurismus in ihm steckt. Im Haus der Natur wurden mehr als 50 Jahre lang die Leichen schwer missgebildeter Babys in Spiritusgläsern ausgestellt. Diese Schau der toten Kinder hat mehrere Generationen geschockt, interessiert und abgestoßen, und auch ich erinnere mich mit Schaudern daran.
„Der Elefantenmensch“ von Bernard Pomerance. Schauspiel, Akrobatik, Live-Musik. Inszenierung: Reinhold Tritscher. Kostüm: Viktoria Semperboni. Bühne: Alois Ellmauer. Choreografie: Anna Adensamer. Live-Musik: Ripoff Raskolnikov. Mit: Anna Adensamer, Salim Chreiki, Gerard Es, Kunigunde Eschbacher, Gerhard Fagerer, Reinhold Gerl, Florian Heis, Kristin Henkel, Josef Kocher, Anna Loch, Alexander Lughofer, Pamina Milewska, Vinko Najdek. Fotos: Theater Ecce/ Foto Flausen
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