Der Richter und sein Henker – Der Verdacht

Dürrenmatt

Dürrenmatt | Alle Fotos: Schauspielhaus/ Jan Friese

Gerechtigkeit und Freiheit

Die beiden 1950 und 1951 entstandenen Bärlach-Romane markierten den Anfang von Friedrich Dürrenmatts erfolgreicher Schriftstellerlaufbahn. Regisseur Gerhard Willert hat die beiden Krimis geschickt verknüpft, wobei der Schwerpunkt jedoch auf „Der Verdacht“ liegt. Die elegante und stilsichere Inszenierung feierte am 30. März 2022 im Schauspielhaus Salzburg Premiere und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Kommissär Bärlach erholt sich nach einer schweren Operation nur langsam. Ihm ist bewusst, dass er „nur noch ein Jahr“ zu leben hat. Ein Foto im „Life“-Magazin lässt ihm aber keine Ruhe. Glaubt doch sein Arzt, Doktor Samuel Hungertobel, auf dem Bild seinen Studienkollegen Emmenberger erkannt zu haben. Wer war nun dieser KZ-Arzt Nehle, der Häftlinge ohne Narkose operierte, wirklich? Trotz seiner Krankheit will Bärlach diesem Verdacht nachgehen und so lässt er sich in Emmenbergers Klinik in Zürich einweisen. Der Arzt durchschaut ihn aber schnell und so findet sich Bärlach bald im „Sterbezimmer“ wieder, bewacht von Emmenbergers Geliebter, der morphiumsüchtigen Marlok. Die ehemalige Kommunistin ist durch ihre Leiden, sowohl unter dem Stalinismus wie auch unter dem Nationalsozialismus, völlig desillusioniert. Rettung naht in Gestalt des Juden Gulliver, der sich als exzellenter Fassadenkletterer Zutritt zu Bärlachs Krankenzimmer verschaffen kann. Er ist dem Kommissär bei der Aufklärung dieses brisanten und gefährlichen Falles behilflich, war doch auch er ein Opfer Nehles.

Szenen aus „Der Richter und sein Henker“ sind als Traumsequenzen eingebaut. „Kann man das perfekte Verbrechen begehen, das nie entdeckt wird?“ Diese Wette zwischen dem jungen Polizisten Bärlach und dem Ganoven Gastmann hat den Kommissär ein Leben lang verfolgt. In einem raffinierten Spiel gelang es ihm schließlich, Gastmann zwar nicht der Tat zu überführen, aber zu richten und seinem Henker auszuliefern.

In einem großen, kalten Zimmer mit neun weißen, altmodischen Krankenhausbetten liegt Bärlach ganz alleine (Ausstattung: Alexandra Pitz). Spannung und drohende Gefahr signalisieren die Musikeinspielungen (Musik: Wolfgang „Fadi“ Dorninger) und die kleinen Lichter auf den leeren Betten, die an Grabkerzen erinnern. Marcus Marotte liegt als todkranker Kommissär Bärlach meist im Bett, nur während seiner Fieberträume zieht er ein Sakko über und taucht in die Vergangenheit ein. Da trifft er dann auf seinen Erzfeind Gastmann (Antony Connor), den Polizisten Tschanz (Jakob Kücher) und Schwester Kläri (Sophia Fischbacher), die auch als Erzähler auftreten.

In der Klinik Sonnenstein kommt es dann zu großen philosophischen Dialogen zwischen Bärlach und dem unheimlichen Dr. Emmenberger (Wolfgang Kandler), in denen es um Gerechtigkeit und Freiheit geht. Dürrenmatt versteht es, die Absurdität der Welt stets mit grotesken Situationen darzustellen, selbst wenn etwa Marlok (Susanne Wende) und der Riese Gulliver (Olaf Salzer) über ihre schrecklichen Erlebnisse berichten.

In Dürrenmatts philosophischem Kriminalroman mit teilweise skurril überzeichnetem Personal wird der Gerechtigkeitsglaube von Bärlach dem pervertierten Freiheitsglauben des Naziarztes gegenübergestellt.

„Die Freiheit ist der Mut zum Verbrechen, weil sie selbst ein Verbrechen ist.“ Es empfiehlt sich, vor dem Theaterbesuch den Inhalt von „Der Richter und sein Henker“ kurz durchzulesen, denn dann kann man den 90-minütigen intensiven Theaterabend entspannt genießen

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