Sophie Reyer: Merlins Tochter

Sophie Reyer

Sophie Reyer | Foto: Konstantin Reyer

Sophie Reyer: Merlins Tochter

Autorin: Sophie Reyer
Titel: Merlins Tochter – Roman
ISBN: 978-3-903322-98-1
Verlag: Edition Keiper
Erschienen: 06. Oktober 2023

Klappentext:

Cornelia – sie ist durch ein traumatisches Ereignis blind geworden – entdeckt mithilfe eines Therapeuten in kleinen Schritten ihre Vergangenheit und lernt, sich selbst und ihrer Erinnerung wieder zu trauen.

Sie war auf dem Anwesen ihres Vaters, eines abgetauchten Anhängers der Moon-Sekte, aufgefunden worden, jetzt holt sie sich Kraft, indem sie in der Fantasie eine Großmutter entstehen lässt, die sie mit ihrer natürlichen Weisheit und ihrem hohen Glauben an Gott, die Erdmutter, an Elfen und Feen stärkt. Die Heilung von Cornelia gelingt jedoch nur für einen Augenblick – sie entscheidet sich dafür, weiterhin blind zu sein.

Reyer fokussiert Frauen an der Grenze zwischen dem Hier und dem Wahn, zwischen Mädchen- und Frausein, zwischen Weltflucht und Naturnähe und schafft einen Text voll von musikalischen und lyrischen Elementen.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Die junge Frau mit dem Namen Cornelia ist 21 Jahre alt und blind. Sie hört die geduldige, ja fast zärtliche, Stimme ihres männlichen Therapeuten, der ihr helfen will, wieder zu sehen.

Allmählich lässt sie mit Hilfe ihres Seelenarztes wieder Licht in ihre verletzte Seele und merkt schnell, wie schmerzhaft Licht und Sehen sind.

Langsam geht sie mit ihrem Therapeuten in ihre kindlichen Ereigniswelt immer weiter zurück und nähert sich langsam dem Zeitpunkt an, an dem sie, noch ein Kind, beschloss, in der ewigen Dunkelheit Schutz zu suchen. Als der erwachsenen Cornelia bewusst wird,   warum die kindliche Cornelia den Entschluss gefasst hatte, ihre verletzte Seele in der schutzbietenden Dunkelheit zu versenken, geschieht erneut etwas, dass ihr die Verletzlichkeit durch Sehen wieder deutlich vor (ihre) Augen führt. Es ist das unprofessionelle und distanzlose Verhalten ihres Therapeuten, das ihr zwar die Augen für kurze Zeit öffnet, gleichzeitig aber wieder den Entschluss reifen lässt, zurück in den Schutz der Dunkelheit zu gehen.

Parallel zu ihrer Erblindung, erzeugen ihre Tagträume eine Großmutter, die sie überleben lassen. Ihre Leidenschaft zum Klavierspiel kann sie, trotz fehlendem Augenlicht und trotz ihrer Tagträume, weiter ausleben.

Ein verstörender und dramatischer Roman um eine zerstörte kindliche Seele.

Erst allmählich tauchen die wahren Gründe der psychisch bedingten Erblindung bei dieser verletzten und zerstörten Kinderseele auf.

Die Protagonistin ist eine junge verletzte und verletzliche Frau, die eine große Begabung als Klavierspielerin hat. Sie beherrscht das Instrument, ohne sehen zu können.

Cornelia erschafft sich eine Welt aus Märchenfiguren – und was wesentlicher ist, sie erschafft sich eine beschützende Großmutterfigur. Die Erblindung wählt sie aus, als  Möglichkeit des völligen Rückzuges aus der realen Welt, die sie nicht mehr ertragen und die sie nicht mehr sehen will.

Die Figur des Therapeuten ist sehr zwielichtig. Zum einen scheint es tatsächlich, dass er seiner Probandin helfen will, zum anderen aber missbraucht auch er die verletzliche junge Frau für seine Zwecke.

Die Autorin zeichnet mit ihrer Probandin das Bild einer psychischen Grenzgängerin. Einerseits besteht eine selbst gewählte und durchaus willentlich beeinflussbare Erblindung, andererseits existiert aber eine Großmutterdarstellung, die ich als aufdrängendes und nicht beeinflussbares psychotisches Wahnbild erlebe. Mit dieser „Großmutter“ bekommt Cornelia eine real erlebte, aber in Wirklichkeit imaginäre Liebe, die ihr in der Realität verwehrt bleibt.

Der Text des Buches setzt sich aus zwei Teilen zusammen, aus der realen Geschichte und aus der kursiv gedruckten Phantasiewelt der Probandin. Die Autorin spielt mit den Worten und setzt diese mit hohem Niveau ein. Ein Sinn erfassendes Lesen setzt daher eine erhöhte Konzentration des Lesers voraus.

Die Fakten sind gut recherchiert. Obwohl es sich um eine fiktive Geschichte handelt, sind ähnlich gelagerte Krankengeschichten bekannt und auch gut dokumentiert.

Ein Buch das nachdenklich macht, aber auch eine „hochplastische“ menschliche Psyche darstellt, die erstaunliche Fähigkeiten aktiviert, um zu überleben.

Ein spannendes und interessantes Buch für Lesende die sich gerne mit (psychischen) Grenzgängern beschäftigen.


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