I. L. Callis: Doch das Messer sieht man nicht

Callis, I.L. | Foto: emons/ Susi Graf

Callis, I.L. | Foto: emons/ Susi Graf

I.L. Callis: Doch das Messer sieht man nicht

Autorin: I.L.Callis
Titel: Doch das Messer sieht man nicht – Kriminalroman
ISBN: 978-3-7408-2048-0
Verlag: Emons Verlag GmbH
Erschienen: 21.03.2024

Klappentext:

Zeitgeschichtliches Flair trifft auf düstere Thriller-Elemente – eindrücklich, verstörend, hoch spannend. Berlin 1927: Anaïs Maar ist jung und schwarz, boxt und schreibt für ein Boulevardblatt.

Als sie über eine Reihe von Prostituiertenmorden berichten soll, wittert sie ihre langersehnte Chance auf Anerkennung. Währenddessen tanzen die Berliner auf dem Vulkan – Luxus, Spekulation und nächtliche Exzesse stehen Arbeitslosigkeit, Inflation und menschlichem Elend gegenüber.

Anaïs kämpft nicht nur gegen den »Ripper von Berlin«, sondern auch mit den gefährlichen Vorzeichen eines dramatischen Epochenwandels.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Im Berlin des Jahres 1927 treibt sich ein gefährlicher Frauenmörder um. Es besteht zu dieser Zeit ein großer Unterschied zwischen Arm und Reich – viele Frauen müssen sich aus der Not heraus prostituieren und einige davon laufen ihrem Mörder direkt in die Arme.

Anaïs Maar, eine junge wohlhabende Journalistin mit afrikanischen Wurzeln, schreibt über den brutalen Prostituiertenmörder und gibt ihm den Namen „der Ripper von Berlin.“ Als sie bei ihren Recherchen auf die „Auskunftsperson Josefine“ trifft, die sie in Stellung als Haushaltshilfe nimmt, kommt sie dem Ripper näher, als ihr lieb ist. Aber wie nah sie ihm schon längere Zeit war, erkennt sie erst, als es fast zu spät ist.

Eine großartige Geschichte, die viel mehr als ein Kriminalroman ist!

Wortgewaltig, aber trotzdem feinfühlig, schildert die Autorin das Leben der Menschen zwischen den beiden großen Weltkriegen in der Stadt Berlin. Sie beschreibt das Elend der Armen in ihren kleinen „Wohnlöchern“ und erzählt über den Wohlstand der Reichen, denn die Kluft zwischen Arm und Reich ist riesengroß. Während viele Frauen sich für ihren Lebensunterhalt prostituieren müssen, verkaufen andere ihre Kinder, um über die Runden zu kommen. Männer ertränken vielfach ihren Frust im Alkohol und/oder konsumieren „die weiße Fee“, wie das Kokain damals genannt wurde.

Es ist der Nährboden für radikale Strömungen – eine Zeit, in der sich Braunhemden mit den Kommunisten immer wieder Straßenkämpfe liefern und in der es bereits gefährlich ist, anders auszusehen.

Es ist 1927, als die dunkelhäutige Protagonistin Anaïs, die bereits als Kind, Ausgrenzungen und Anfeindungen ausgesetzt war, jetzt aber besonders den Gegenwind und die zunehmenden Feindseligkeiten einer neuen politischen Bewegung aus Bayern spürt. Ihre Widerstandskraft und ihren Mut holt sich die Journalistin aus ihrem Boxtraining und aus dem Ansehen ihrer Tante, die sie nach dem Tod ihrer leiblichen Mutter adoptiert hat. So findet sie die Kraft und heftet sie sich an die Fersen eines gefährlichen und perversen Mörders. Von den grausamen Fotos der Opfer angetrieben, hat sie nur ein Ziel: Den Ripper zu stellen – dabei lässt sie sich auf ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit ihm ein.

Josefine, das spätere Dienstmädchen von Anaïs Maar, verkörpert die zwiegespaltene Rolle armer Frauen in dieser Zeit. Angetrieben vom Bestreben, mehr aus ihrem Leben zu machen, träumt sie von der großen Filmkarriere, um sich letztendlich doch wieder zu prostituieren, um überleben zu können. Doch sie gibt nicht auf, denn es ist eine Zeit, in der es auch chic ist, dass Frauen berufstätig und von Männern unabhängig sind.

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und MacHeath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht!

Berthold Brecht, „Die Dreigroschenoper“, 1928

Der Einband des Buches stellt eine dunkelhäutige Boxerin dar. Diese Zeichnung hat mich in einer einzigartigen Faszination immer wieder dazu bewogen, zurückzublättern, um das Bild auf mich wirken zu lassen. Der Titel des Buches ist einem Text der Dreigroschenoper entnommen. Die Einleitung des Buches lässt tief in die Seele eines verletzten – aber gerade deshalb gefährlichen – Menschen blicken.

Die anschließende Handlung nimmt schnell an Rasanz zu und zieht den Leser in den Bann; die Spannung bleibt bis zum Ende erhalten und nimmt am Schluss eine gänzlich unerwartete Wende.

Einige Redewendungen sind im Berliner Dialekt gehalten, was die Handlung sehr authentisch macht und nur am Anfang etwas ungewohnt zu lesen war.

Die Krimihandlung leitet durch den Roman, der ein einzigartiges Stück Zeitgeschichte dokumentiert, hervorragend recherchiert und großartig geschrieben ist.

Ein Lesevergnügen der besonderen Art!


Dorfgockel

Sie schätzen die Buchkritiken in der Dorfzeitung?
Freunde helfen der Dorfzeitung durch ein Abo (=Mitgliedschaft)! Wir sind sehr stolz auf die Community, die uns unterstützt! Auf diese Weise ist es möglich, unabhängig zu bleiben.

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Diesen Artikel empfehlen. Teilen mit:

Visits: 21

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "I. L. Callis: Doch das Messer sieht man nicht"

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*