„Der Kirschgarten“ – Die Party ist vorbei!

Der Kirschgarten

Im Salzburger Landestheater inszeniert Alexandra Liedtke Tschechows bittersüße, gesellschaftskritische Komödie über die morbide Welt des russischen Adels. Die verarmte Gutsbesitzerin Ranjewskaja will von ihrer kritischen finanziellen Situation absolut nichts hören. Sie ist auch nicht bereit, sich von ihrem nutzlos gewordenen Kirschgarten zu trennen. Vor der drohenden Versteigerung wird jedoch noch ein letztes Mal groß gefeiert. Eine wunderschöne, melancholische Inszenierung, die vom Premierenpublikum am 7. April 2024 stürmisch gefeiert wurde.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Die Aufregung ist groß, denn die Gutsbesitzerin Ranjewskaja kehrt auf ihr russisches Landgut zurück. Sie war nach dem Tod ihres kleinen Sohnes mit ihrem Geliebten nach Paris geflohen und hat dort ihr ganzes Geld verprasst. Völlig mittellos kehrt sie nun zurück und will nicht wahrhaben, dass am 22. August ihr Gut versteigert werden soll. Der geschäftstüchtige Lopachin, dessen Vater einst Bauer am Gut war, hat es hingegen zu Reichtum gebracht. Er schlägt der Gutsherrin vor, den Kirschgarten abzuholzen und auf das Grundstück Datschen zu bauen, die sie dann gewinnbringend an Sommergäste vermieten könnten.

Doch Ranjewskaja ist strikt dagegen: „Sommerhaus und Sommergäste, das ist so ordinär!“ Es muss doch noch andere Möglichkeiten geben, vielleicht könnte ja eine reiche Großtante helfen. Am besten wäre natürlich die Hochzeit ihrer Pflegetochter Warja mit Lopachin. Leider wartet die arme Warja aber schon seit zwei Jahren auf einen Antrag und es tut sich nichts.

Ranjewskajas muntere Tochter Anja hingegen interessiert sich für den ewigen Studenten Trofimow. Der hält sich für einen Visionär und glaubt, die Fassade all der Fatalisten zu durchschauen, obwohl er selbst nicht anders ist. Der junge Diener Jascha wiederum flirtet mit Charlotta, einer kessen Bediensteten, und die ist absolut nicht abgeneigt. All diese inneren Konflikte und Widersprüche machen den Reiz des Stückes aus. „Was für ein unglückliches, unseliges Leben“, so der Tenor all dieser gebrochenen Figuren.

Tina Eberhardt überzeugt als kapriziöse, oberflächliche und verschwenderische Ranjewskaja und ist eine Meisterin im Verdrängen. Ihr Bruder (Matthias Hermann), ein verantwortungsloser Verschwender, rümpft über den Emporkömmling Lopachin (Maximilian Paier) ständig die Nase, denn „Bauer bleibt Bauer“. Gregor Schulz gibt den wortgewaltigen Studenten Trofimov, der gerne über eine Erneuerung des Gesellschaft schwadroniert.

Die beiden Töchter Anja (Leyla Bischoff) und die verhärmte, unglückliche Warja (Nikola Jaritz-Rudle) verzehren sich vor Liebe. Die Männer können sich jedoch nicht entscheiden. Georg Clementi sorgt als Jepichodow für Slapstick-Einlagen, zieht Katastrophen magisch an und verletzt sich ständig. Auf der Gitarre aber ist er Meister. Marco Dott schleicht als greiser Firs über die Bühne, bis er schließlich vergessen wird. Der junge Diener Jascha (Thomas Wegscheider) flirtet mit der Bediensteten Charlotta (Larissa Enzi), tanzt mit ihr den letzten Walzer und wartet dann wie alle anderen auf die Entscheidung: „Verkauft oder gerettet?“

Philip Rubner hat drei hohe Wände mit riesigen Türen auf die Drehbühne gestellt, die ständig neue Perspektiven bieten. Das neunköpfige Ensemble und der kleine tote Grischa wuseln durch die vielen Zimmer und Gänge. Unbeobachtet darf sich hier niemand fühlen. Der Sommer scheint heiß zu sein und so hat Johanna Lakner für überaus lockere Kleidung gesorgt. Erst zum finalen Tanz dürfen sich alle in Schale werfen.

„Der Kirschgarten“ war Tschechows (1860-1892) letztes Theaterstück und sollte „unbedingt komisch, sehr komisch“ werden. Alexandra Liedtke ist mit dieser Inszenierung ein perfekter Mix aus Tragik und Komik gelungen. Die Angst vor Veränderungen ist auch heute noch weit verbreitet und so ist das Stück von erschreckender Aktualität.

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