„Deserteur!“ – eine inszenierte Filmdokumentation

Im Hungerwinter 1946 berichten vier junge Männer vom Land über ihre traumatischen Erfahrungen mit „einem Krieg, der uns Bauern nix angeht“. Die Köstendorfer Regisseurin Gabriele Neudecker hat akribisch recherchiert und die ergreifenden Schicksale dieser mutigen Männer in ausdrucksstarken Bildern in Szene gesetzt. Viele Köstendorfer ließen es sich nicht nehmen, bei der Salzburg-Premiere am 27.2.2015 im DAS KINO dabei zu sein.

elipi_aVon Elisabeth Pichler

Der Bauer, der Koch, der Ministrant und der Schweinemeister erzählen wahre Geschichten über ihre Desertion und den Krieg, den niemand brauchte. Trocken und emotionslos berichtet der Bauer etwa vom Krieg in Russland und seiner Flucht. „Meine Augn ham zu vü gsegn, des halt da Mensch net aus.“ Jetzt ist er mit Holzarbeiten beschäftigt und kann nicht verstehen, warum er zu Hause geächtet wird. Er gibt die Hoffnung nicht auf, dass das wieder wird. Den kränklichen Ministranten hingegen, gedrillt aufs Glauben und Folgen, hatte es nach Monte Cassino verschlagen. Jetzt lässt er sich von seiner Schwester aushalten, denn von der Schnitzerei von Heiligenfiguren kann er nicht leben.

Der Koch kam als Kanonenfutter nach Murmansk, obwohl er doch eigentlich zu den Fliegern wollte. Sein Leidensgenosse konnte bei einer Eskimo-Frau Unterschlupf finden, doch er selbst zog die Flucht vor. In einer Wirtsstube erzählt der Schweinemeister, wie er von seinen Brüdern regelrecht zur SS gezwungen wurde. Nach seiner Desertion muss er sich fünf Monate im Moor verstecken: „Suachn tuans die wia a Viech, grad zum Daschiassn.“

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Es sind reale Schicksale, die der Film, der auf unzähligen Interviews mit Zeitzeugen basiert, in wunderbar ruhigen Bildern zeigt. Von den porträtierten jungen Männern, die von jungen Salzburger Laiendarstellern (Franz Kranzinger, Markus Klampfer, Alexander Kortoletzky und Peter Neudecker) verkörpert werden, ist heute nur noch einer am Leben.

Es war also für Gabriele Neudecker die letzte Chance, einen Film über dieses für manche Personen noch heute heikle Thema zu machen. Kaum zu glauben, dass die offizielle Rehabilitierung von Kriegsdienstverweigerern und deserteur_917Wehrmachts-Deserteuren erst im Jahre 2009 durchgesetzt wurde. Gabriele Neudeckers Film wurde bereits zu 24 Filmfestivals eingeladen und mit fünf internationalen Awards ausgezeichnet. Fein, dass wir Salzburger den harten Flachgauer Dialekt ganz gut verstehen, denn selbst in Linz hat es Probleme gegeben und die Zuschauer mussten auf die englischen Untertitel ausweichen.

Zwei Wochen lang läuft dieser „Salzburger Film“ im DAS KINO. Eine außergewöhnliche Inszenierung, die ganz ohne Archivmaterial auskommt und mit ausdrucksstarken Bildern, kräftiger Sprache und der wundervollen Musik von Doris Kirschhofer tief berührt, ohne zu verstören. Absolut empfehlenswert!

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„Deserteur!“ – Österreich 2012; Regie: Gabriele Neudecker; Drehbuch: Gabriele Neudecker; Kamera: Stefan Aglassinger/Gabriele Neudecker; Schauspieler: Franz Kranzinger, Alexander Kortoletzky, Markus Klampfer, Peter Neudecker jun.; Musik: Doris Kirschhofer/Brigitte Wagner; 80 Min., OF Deutsch. Fotos: PimpthePonyProductions

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