Die bis auf den letzten Platz gefüllte Anifer Pfarrkirche ist an diesem Palmsonntag Ort einer ergreifenden Aufführung. Die Zuhörerschaft bedankt sich mit lange anhaltendem Applaus und standing ovations.
Von Siegfried Steinkogler
Schon die ersten Takte des Eingangschores versetzen den Hörer in die Stimmung des Karfreitagsgeschehens der Osterliturgie. Text und Handlung, vom Evangelisten vorgetragen, ranken sich um Jesu Verrat, das Verhör durch Pontius Pilatus und den Kreuzestod Jesu, und sind an Dramatik – zumal in der Verbindung mit Bachs Musik – kaum zu überbieten. Das monumentale Werk gliedert sich in Tutti-Sätze (Chor mit Orchester), Choräle und Arien, die der Reflexion über die jeweilige Textpassage dienen.
Dem Evangelisten kommt hier die schwierige Aufgabe bei, durch das mehr als zwei Stunden Passionsgeschehen zu führen. Tenor Alexander Hüttner erweist sich als ideale Besetzung für diese Rolle, beherrscht er doch viele Facetten des rezitativischen Gesangs, aus denen er scheinbar mühelos wählen kann, um sein Publikum über die Vorgänge rund um den Opfertod Christi in Kenntnis zu setzen. Manuel Millonigg verleiht dem Jesus durch seinen ruhigen, geraden (im Sinne von vibratolosen) Bass eine transzendente Note und ist akustisch wie optisch bestens geeignet, einen glaubwürdigen Jesus abzugeben. Auch Roland Faust vermittelt als Pontius Pilatus einen glaubhaften, weil autoritären Eindruck.
Von den vier GesangssolistInnen, die keine reelle Person verkörpern, sondern im Geschehen inne halten, um es zu betrachten und zu erwägen, stechen die Sopranistin Aleksandra Raszynska und der Tenor Andrzej Lampert hervor. Beide zeichnet eine wohltuende Sicherheit in allen Lagen aus. Lampert unterstreicht mit Strahlkraft in der Stimme sein internationales Format. Eva Schoßleitner, die kurzfristig für eine erkrankte Sängerin eingesprungen ist, beweist große Musikalität und Gestaltungswillen in der Interpretation ihrer Alt-Arien, wirkt jedoch im tiefen Register gelegentlich etwas kraftlos. Auch Bass-Bariton Simon Schnorr lässt keine Zweifel über sein internationales Format aufkommen. Mehr noch im zweiten Teil der Passion erweist sich der Sänger des Salzburger Landestheaters als sicherer Interpret Bach’scher Arien.
Besonderes Lob verdient auch das Vokalensemble, das ähnlich wie der Evangelist sich bis zur Schlussnote auf der Höhe des Geschehens befindet und stets eine unzertrennliche Einheit bildet. Die zahlreichen barocken Originalinstrumente (darunter Traversflöte und eine Gambe) verleihen dieser Johannes-Passion ihre spezifische Klangnote. Die Instrumentalisten des Orchesters Salzburg Barock sind in der Lage, dem Werk seinen zeitfernen Zauber wiederzugeben.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist die Leistung von Hans-Josef Knaust, der diese Aufführung vom Cembalo aus mit viel Umsicht und Übersicht geleitet hat.
Fotos: Herbert Podlipnik
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