„Reigen“ – ein Karussell der Triebe

Arthur Schnitzlers Porträt der Wiener Gesellschaft der Jahrhundertwende wird in der Regie von Anne Simon durch performative Einschübe, in denen Gewalt und Machtmissbrauch gegen Frauen thematisiert wird, aktualisiert. Die Premiere fand am 2. Februar 2020 im Schauspielhaus Salzburg statt.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

„Reigen“ schildert in zehn Dialogen, die ausschließlich der Verführung dienen, die heuchlerische Sexualmoral des Wiener Fin de Siècle. Fünf Frauen und fünf Männer finden paarweise zueinander, wobei jeweils eine Person in der nächsten Szene eine neue Liebschaft sucht und findet. Den Beginn machen eine Dirne und ein Soldat. Da er um 10 Uhr in der Kaserne sein muss, ist das Vergnügen von kurzer Dauer, er verrät nicht einmal seinen Namen. Auch nach der Verführung des Stubenmädchens Marie macht er sich schnell wieder aus dem Staub. Sie wiederum erliegt den Schmeicheleien eines jungen Herren. So geht es weiter durch alle Gesellschaftsschichten, bis der Herr Graf auf die Prostituierte der ersten Szene trifft und sich so der Reigen schließt.

Anne Simons Inszenierung beginnt erst ganz klassisch. Eine aufreizende, kokette Prostituierte verführt einen feschen, etwas verklemmten, jungen Soldaten. Von Dankbarkeit jedoch keine Spur, der plumpe, chauvinistische Bursche hat nur Verachtung für sie übrig. Ebenso mies behandelt er ein Stubenmädel, das er bei einer Tanzveranstaltung verführt. Das arme Mädel ist zu Recht sauer, es schiebt den durchsichtigen, schwarzen Vorhang, der bisher alles gnädig verhüllt hat, zur Seite und erklärt dem Publikum selbstbewusst: „Ich bin nicht schuld!“ Die köstliche Szene, in der die untreue Ehefrau von ihrem Ehemann über die Feinheiten einer funktionierenden Ehe – natürlich aus Sicht des Mannes – aufgeklärt wird, wird aus einem Reclamheft vorgelesen und verliert so ihren nostalgischem Charme. Der Ehemann trägt Jeans und Ibiza-T-Shirt, bevor er sich in einen Knickerbocker-Anzug zwängt. Das süße Wiener Mädel ist einer Dr.-Oetker-Werbung der 50er Jahre entsprungen, der junge Dichter glänzt im ABBA-Outfit und die Hure L…

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