Sabine Gruber: Die Dauer der Liebe

Sabine Gruber

Sabine Gruber | Foto: © Privat

Sabine Gruber: Die Dauer der Liebe

Autorin: Sabine Gruber
Titel: Die Dauer der Liebe
Verlag: C.H.Beck
ISBN-10 ‏ : ‎ 3406806961
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3406806964
Erschienen: 13. Juli 2023 (1.Edition)

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Klappentext:

Ein ergreifender Roman über Verlust und Weiterleben

Die Übersetzerin Renata verliert jäh ihren Lebensgefährten und wird mit gänzlich unerwarteten Konflikten konfrontiert. Sie muss sich außerdem selbst ins Leben zurückkämpfen und die Frage beantworten, ob Konrad, ihr Partner, Geheimnisse vor ihr hatte? Sabine Grubers Roman Die Dauer der Liebe ist ein ergreifendes, gelegentlich zorniges und manchmal auch komisches Buch.

Ein morgendliches Klopfen an der Tür zu ihrer Wiener Wohnung, die Übersetzerin Renata Spaziani öffnet, und die Nachricht, die ihr ein Polizist überbringt, ändert alles: Konrad Grasmann, mit dem sie die letzten fünfundzwanzig Jahre zusammengelebt hat, die Liebe ihres Lebens, ist, erst Anfang sechzig, schon am vorigen Tag auf einem Parkplatz gestorben. Seine Herkunftsfamilie war verständigt worden, Renata aber nicht. Und während sie den Schock des jähen Endes ihrer innigen Partnerschaft verkraften muss, Konrad am liebsten nachsterben will und sich doch ins Leben zurückkämpft, muss sie aushalten, dass Konrads Familie diese Partnerschaft nicht respektiert. Renata und Konrad waren nicht verheiratet, ihr Gefährte hat kein rechtsgültiges Testament hinterlassen. Renata wird doppelt beraubt …

Bei den Erinnerungen an Konrad, einem Architekten und Fotokünstler, bei den Aufräumarbeiten und Auseinandersetzungen mit seiner Familie stößt Renata auf Ungereimtheiten in seinem Leben. Hat er ihr etwas verschwiegen? Ihren Erlebnissen mit Konrad und seinen ästhetischen Vorlieben nachspürend und gestützt von ihren Freunden, fasst Renata allmählich wieder Fuß in einem Dasein, das sie nun neu, anders entwerfen muss. Wer soll dazu gehören? Ergreifend, poetisch und klug, gelegentlich zornig und auch komisch erzählt Sabine Gruber in «Die Dauer der Liebe» davon, wie es ist, ohne den anderen weiterleben zu müssen.

Von Peter Reutterer
Autor und Musiker, Henndorf

Bereits seit den Romanen „Aushäusige“ und „Die Zumutung“ bin ich vom Erzählen Sabine Grubers begeistert. Außen- und Innenseite des Geschehens werden einem im beeindruckender Weise als Wirklichkeit nahegebracht. Poetisch ebenso wie klug.

Am Beginn des neuen Werkes steht der Todesfall des über viele Jahre geliebten Lebensgefährten Konrad Grasmann. Die Übersetzerin Renata Spaziani muss nun ihr Leben auf sich gestellt fortsetzen. Man kann sich als Leser ihrem Konrad-Schmerz nicht entziehen, die Autorin erfindet das treffende Wort für die brisante Gefühlslage: „der Gewissheitsstich seines Todes“. (S.36) Klar ist in solchen Passagen: Sabine Gruber erzählt von Dingen, die sie erfahren hat, über die sie Bescheid weiß. Schon in der inhaltlichen Exposition wird deutlich: Renata wird doppelt beraubt. Man wird nämlich von Anfang an mit den Bösartigkeiten der fremd gebliebenen Mutter Konrads, Henriette, und den ebenso unsensiblen Geschwistern, Gunda und Marcel, bekannt. Renata kann sich den Zumutungen durch Konrads Familie nicht entziehen, da kein ordentliches Testament existiert. Dass der Lebensgefährte nur auf einem gedruckten und unterschriebenen Schriftstück Renata zur Erbin eingesetzt hat, ist juristisch unzulänglich und wird von Konrads Verwandtschaft gegenüber der nie akzeptierten Gefährtin als gültiger letzter Wille abgeschmettert.

Romane, die einen packen, zeichnen sich durch maßgebliche Darstellung aus, die wiederum auf genauer Beobachtung und Sinn fürs Wesentliche beruhen. Ein Beispiel wäre die frühe Szene am Leichnam, in der die Autorin die Gefühlslosigkeit der Herkunftsfamilie von Konrad scharfsichtig vorführt: Die angeblich Trauernden fotografieren das tote Gesicht, wie schrecklich, wie unfassbar. Der leblose Geliebte ist ja nur noch ein Zerrbild, nichts „als Beweis seiner Abwesenheit“. (S.32). Wie auch in anderen Szenen gelingt es Sabine Gruber, mit eine paar präzisen Strichen die fatale Dynamik der Gesamtsituation klarzustellen.

Das Psychogramm der Trauer entfaltet sich weiter: Da gibt es das Bedauern, den Geliebten nicht nach Tarent bei seinen Arbeiten als Architekt und Fotokünstler begleitet zu haben (S.38), ambivalente Ängste wie die, den Geliebten und gemeinsame Erlebnisse zu vergessen. „Thanatos und Hypnos, Tod und Schlaf, wohnen beide im Hause der Nacht, in der Nähe des Flußes Lethe. Schon der Gedanke an diesen Fluss des Vergessens läßt Renate unruhig werden.“ (S.59) Auch Suizidgedanken oder Eifersucht post mortem (Gibt es da jemanden, von dem ich nichts wusste?) gesellen sich dazu. Es gibt aber auch einen Freund, er heißt Bruno, der rational wie emotional zur Seite steht, z.B. in der Analyse der Familie des Verstorbenen: „Die Blutsbande sind nur ein Vorwand, sagt Bruno, dahinter sind Gier, Kälte, verkleidete Minderwertigkeit.“ (S.108)

Im Erzählen von Sabine Gruber intensiviert sich die Wirklichkeit, die Autorin erzählt von Dingen, die sie bis in die Abgründe kennt, z.B. von Schlafproblemen: „Wieviele Nächte kroch ihr die Kälte des Bodens in die Füße…“ (S.106) Details sind für die Vergegenwärtigung unabdingbar. So scheut sich die Erzählerin nicht, von den „Schneefeldern“ auf Konrads Hodensäcken zu reden und auf die Intensität der sexuellen Anziehung anschaulich einzugehen.

In der zweiten Hälfte des Romans weitet sich die Perspektive. Biographie und Vorlieben des Liebespaares werden ergänzt. U.a. erfährt man, dass Renata das Spießige hasst, z.B. das Sticken und Stricken (S.126) als verlorene Zeit erlebt. Und man erfährt auch von den Recherchen, die Konrad im Gebiet der Pontinischen Sümpfe zum Thema der faschistischen Vorzeigeprojekte durchführte. „Konrad interessierte die unrühmliche Verbindung zwischen dem faschistischen Regime und der Moderne.“ (S.141).

Andere Weitungen diese Romans sind die in psychologische Weisheiten oder ins Soziale. Als Beleg für das Erstere verweise ich auf die Stelle, wo Renata vor allem durch die Beibehaltung ihres Freundeskreise -unabhängig von endenden Beziehungen- als gerettet kategorisiert wird. (S.168) Für das Zweite möchte ich die Erzählung über ihre „Nonna“ anführen. Diese hatte geheiratet, um endlich einmal ein eigenes Bett zu haben.

Bevor sich der Roman im Finale noch einmal auf ein besonderes Ereignis zuspitzt, räsoniert die Erzählung über Sinn und Unsinn von Tinder oder die Bedeutung von ablenkenden Liebesgeschichten. Natürlich ist das einerseits Gesellschaftskritik, andererseits auch ein Stückchen Humor, der dem Gesamten guttut.

Zuletzt -wie angekündigt- noch ein letzter Plotpoint: Renata ist hinsichtlich der Treue Konrads verunsichert und will einer speziellen Freundin, Catarina, die allerdings lesbisch ist, diesbezüglich auf den Zahn fühlen. Und tatsächlich gibt es da etwas, womit sie nicht gerechnet hat, was aber der großen Liebe zwischen Renate und Konrad keinen nachträglichen Abbruch tun wird. Zuletzt bleibt die Protagonistin am Leben, mit der Trauer über das Ende einer 25jährigen Liebe, aber auch mit dem Impuls, wieder Liebesgeschichten zu wagen. Final versinnbildlicht in der Korrespondenz mit Bonifaz, einem Bekannten Konrads, in der sie feststellt, sie befinde sich in einer besonderen Jahreszeit, im „Estunno“ (was man mit „Nachsommer“ übersetzen könnte). (S.250)

Die Hohezeit der Liebe ist wohl wie ein Hochsommer für Renata mit dem Tod Konrads zu Ende. Der Roman Sabine Grubers bewegt sich aber gewiss auf den schönsten Höhen des zeitgenössischen Erzählens.


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