„Camp Herzl“ – vergessene Salzburger Stadtgeschichte

Camp Herzl

Die ehemalige Kaiser-Franz-Josef-Kaserne in der Paris-Lodron-Straße ist heute die Heimstätte der Schauspielstudenten des Mozarteums. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war das Gebäude ein Flüchtlingslager für KZ-Überlebende.

Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Universität Tel Aviv wurde intensiv recherchiert und ein dokumentarisches Theaterstück über jüdische Flüchtlinge in Salzburg erarbeitet.
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Von Elisabeth Pichler

Das Publikum erhält seine Eintrittskarte in der Haydnstraße Nr.2 – dem Haus, in dem sich Marco Feingold, der heute 102-jährige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, nach Kriegsende mit zwei Freunden ein Zimmer teilte. Direkt gegenüber befand sich das Flüchtlingslager, in dem die sogenannten „Displaced Persons“ von 1945 bis 1947 von der U.S. Army versorgt wurden.

Bis zu 2.000 Flüchtlinge waren hier auf engstem Raum untergebracht und warteten auf die Möglichkeit zur Ausreise. In dem imposanten Gebäude mit seinen dicken Mauern befindet sich heute das Thomas Bernhard Institut des Mozarteums Salzburg.

In einem der Proberäume veranschaulicht uns Marco Feingold in einer Videoeinspielung die menschenunwürdige Unterbringung der Flüchtlinge in dreistöckigen Kojen, die an Schlafsäle in Konzentrationslagern erinnern. Geheiratet wurde hier gerne und oft, wenn auch nicht immer aus Liebe, sondern vor allen wegen der gut gefüllten Lebensmittelpakete, die aus diesem Anlass verteilt wurden.

Die Studenten stellen diverse Hochzeitsfotos exakt nach, sind sich jedoch über die Identitäten der einzelnen Personen nicht immer einig. Es versuchten nämlich auch ehemalige SS-Sturmbannführer, hier unterzutauchen.

Camp Herzl
Camp Herzl

Zeitzeugen waren kaum mehr zu finden, doch Dokumente, Fotos und Briefe geben Aufschluss über die Flüchtlingsströme. Mit Hilfe der Bricha, einer organisierten Untergrundbewegung, die zwischen 1944 und 1948 Juden aus Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei, Rumänien, Jugoslawien und der Sowjetunion die Flucht und die illegale Einwanderung nach Palästina ermöglichte, gelangten Flüchtlinge über den Krimmler Tauern nach Italien, von wo sie nach Palästina und ins spätere Israel aufbrachen.

Das Fluchthilfesystem basierte auf der Orts- und Personenkenntnis seiner Helfer. Viktor Knopf war einer von ihnen. Er führte im Sommer 1947, nach der Sperrung der bisherigen Fluchtrouten durch Engländer und Franzosen, ca. 5000 jüdische Flüchtlinge auf einer der gefährlichsten und spektakulärsten, aber auch anstrengendsten Routen über die österreichische Grenze nach Italien.

Camp Herzl
Camp Herzl

Bei ihren Interviews sind die Studierenden oftmals an ihre Grenzen gestoßen, denn über die Vergangenheit der Großväter wird nicht gerne gesprochen: „I erzähl nix mehr.“

Die Studenten des Thomas Bernhard Instituts verbrachten zwei Wochen für Recherchen in Israel, die Studierenden aus Tel Aviv (sechs Schauspieler, ein Dramaturg, ein Regisseur) sind derzeit in Salzburg zu Gast. Gemeinsam haben sie unter der künstlerischen Leitung von Christine Umpfenbach, Dedi Baron, Paul Brodowsky und Christoph Lepschy ein faszinierendes Dokumentationstheater kreiert, das nicht nur die 70 Jahre zurückliegende Nachkriegszeit zum Inhalt hat.

Ein auf der Schranne geführtes Interview macht deutlich, dass „Camp Herzl“ für die meisten Salzburger kein Begriff mehr ist. Ein wichtiges Stück gegen das kollektive Vergessen, temperamentvoll vorgetragen von Schauspielstudenten aus Österreich, Deutschland und Israel.

Camp Herzl“ – Ein dokumentarisches Theaterstück über jüdische Flüchtlinge in Salzburg. Eine Kooperation zwischen der Universität Mozarteum Salzburg und der Universität Tel Aviv. Veranstalter: Department für Schauspiel/Regie – Thomas Bernhard Institut. Von und mit: Anton Andreew, Tobias Artner, Nuphar Barkol, Zeynep Bozbay, Asaf Hameíri, Yael Katzman, Yaara Lokits, Gadi Magram, Anna-Maria Rieser, Julius Schulte, Ealeal Semel, Lee Shati. Künstlerische Leitung: Christine Umpfenbach, Dedi Baron, Paul Brodowsky, Christoph Lepschy. Fotos: Mozarteum Salzburg/ Schauspiel

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