Jesko Drescher steht voll im Leben, er ist erfolgreich und glücklich verheiratet. Doch all dies scheint plötzlich nichtig, als er auf seinem Heimweg ein Bild aufs Handy bekommt. Es ist ein Bild von ihm, als er noch jung war, aus der Schulzeit, aber vor allem ist er dort nackt. Vor lauter Verwirrung kommt er fast von der Straße ab. Wer hat ihm dieses Bild geschickt und warum?

Von Matthias Traintinger
Auf der Suche nach möglichen Erpressern nimmt er Kontakt mit seinen alten Schulfreunden auf. Er kann sich nicht erinnern, was damals in der Schule geschehen ist und versucht deshalb mit seinen alten Kollegen die Vergangenheit zu rekonstruieren. Sie alle waren zusammen auf der Schule gewesen, doch hatten sie sich aus den Augen verloren. Es dauert nicht lange, bis er sich wieder an die Tage mit Pater Stein erinnern kann, an die warmen Sommertage, wo sie für ihn Modell standen. Wo sie für ihn, wie junge Griechen, frei von allem posierten.
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Autor Thomas Melle wuchs in Bonn auf und besuchte dort das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg, eben jenes Internat, in welchem von 1950 bis 2008 zahlreiche Fälle von sexueller Gewalt verschwiegen worden waren und erst 2010 an die Öffentlichkeit kamen. Er will mit seinem, an diesen Vorfall stark angelehnten Stück die Öffentlichkeit wachrütteln, denn dies war ein Extremfall, aber sicherlich kein Einzelfall.

In der von Claudia Bossard inszenierten österreichischen Uraufführung wurde auf die weiblichen Charaktere verzichtet. Der Mann als potenzielles Opfer ist eigentlich eine Art Tabuthema, viel mehr als bei Frauen hat Mann das Gefühl, dass traumatisiert und verletzt zu sein ein Zeichen von Schwäche ist.

Schauspielerisch haben die vier Darsteller überzeugt, besonders Pascal Goffin, der in einem Bärenkostüm die Rolle des Konstantin übernimmt. Auch im Bühnenbild wird die Thematik von Bildern als visuelle Wörter gut eingebracht. Der Käfig, in dem die Schauspieler zuerst performen und der durch unterstützende Lichteffekte die Fassade zeigt, zerspringt im Moment der Erkenntnis und lässt alles offen zurück.

Verdrängung ist ein menschlicher Schutzreflex. Es schirmt uns ab und lässt uns unsere eigene Realität finden, um dem Realen zu entfliehen. Von den vier Freunden reagiert aber jeder anders, als es zum Zerbröckeln der Fassade kommt. Doch für alle erzittert das Fundament, auf welches sie ihre Lebenslügen erbaut haben. Manche konnten die Risse kitten und die Fassade erneuern, doch nicht immer hält das den Zerfall auf. Denn der Körper vergisst nicht.

Bilder von uns. Österreichische Erstaufführung. Von Thomas Melle | Schauspielhaus Graz, Haus Zwei, Premiere: Mi, 14. Mär 20:00 – 21:45 | REGIE: Claudia Bossard | BÜHNE: Frank Holldack | KOSTÜME: Karoline Bierner | DRAMATURGIE: Jennifer Weiss | Mit: JESKO – Nico Link, KONSTANTIN – Pascal Goffin, MALTE – Fredrik Jan Hofmann, JOHANNES – Mathias Lodd | Fotos: Lupi Spuma
Probleme gab und gibt es immer dann, wenn Abhängigkeiten im Spiel sind. Ein aktuelles Beispiel ist doch auch der österr. Schiverbsnd!